Fussnoten zur Film


AUFTAKT 

Das Licht webt im Raum und schimmert in der Materie wider. Eine Bildwelt entsteht, die auf Kontrasten beruht. 

Das Licht wird zu Erscheinung erst wenn es mit Materie zusammenspielt.  Inwiefern man dabei Gestalten mit klare, feste Konturen sieht oder nicht beruht u.a. auf die Luminanzgradiente.  Hierzu gibt es eine Reihe schöne Phänomene. Für unser Zweck  genügt es mit einfache Bilder, die als "Figur auf Hintergrund", beschreibt werden können.   Goethe karakterisiert ein Bild als "das begrenzt Gesehene"  (Farbenlehre §219) Die Kontour zwichen zwei qualitativ verschieden Felder ist somit das einfachste Bildelement.

Jedes Bild hat sein Gegenbild, sein Komplement, das die gleiche Information liefert.

Das Gegenbild entsteht wenn Licht und Finsternis seine Rolle tauchen. Ein photographisches Negatif  dokumentiert dieselbe strukturelle Verhältnisse  wie das korrespondierende Positif. Die beide Bilder sind komplementär: Projiziert man sie additiv zusammen, dann heben sie sich gegenseitig auf; die konturen werden ausgewischt, die Gestalten verschwinden, und alles wird ein homogenes weisses Bildfelt. Legt man die beide Fotos übereinander, so dass sie sich vollständig bedecken, dann wird das ganze Bildfelt schwarts. 

Als ästhetische Ausdruck sind die beide Bilder sehr verschieden, aber als potentielle Informationsträger sind sie formal gleichwertig.   

Mit „Spektrum“ verstehe ich ein Bild, die als eine Serie von angränzende Farbstreifen beschreibt werden kann.  Die beide Kantspektren sind die primär gegebene. Was ich Goethe-spektren respektive Newton-spektren nenne, sind dagegen nicht eindeutig festgestellte Gebilde, fastmehr sind es zwei Typen von Spektren, die – wie Goethe so schön es gezeigt hat – sich metamorphosieren zwischen Weiss und Schwartz. Das Goethe-spektrum verliesst sich ins Licht, als die schwarze Streife, denen man durch das Prisma betrachtet, zunehmend schmaler wird. Das Newton-spektrum verliert sich im Dunkel wenn das weisse Streife verschwindent dünn wird.  

In "Entwurf einer Farbenlehre", §217, unterstreicht Goethe:  Bei allem diesem lassen wir niemals aus dem Sinne, dass diese Erscheinung nie als eine fertige, vollendete, sondern immer als eine werdende, zunehmende und in manchem Sinn bestimmbare Erscheinung anzusehen sei.

Die beiden Spektren sind komplementär: Sie heben sich gegenseitig vollkommen auf, wenn man versucht, sie an ein und derselben Stelle zu erzeugen.  

Man denke sich ein Spiegelspalt und ein spiegelnde Stab, beleuchtete mit dispergiertes Licht. Auf die Schattenseite gibt der Spiegelspalt ein Newton- spektrum und die Stab ein Goethe-Spektrum. Im reflektiertes Licht, dagegen, gibt der Spiegelspalt ein Goethe-spektrum und der Stab ein Newton-spektrum. 

Führen wir nu die beide Objekte zusammen, dann bilden sie ein ungebrochenes Spiegel, auf dessen Schattenseite es dunkel ist und auf dessen lichtzugewandte Seite ein weisses Reflexbild resultiert. Auf beide Seiten heben sich die bunte Spektra vollständig auf. Entweder zu Schwartz oder zu Weiss.

Die Spektra kann komplementär genannt werden, weil die Bedingungen, die materielle Anordnungen durch welche sie im Licht als Bilder verwirklicht werden, als raumliche Formen komplementär sind.  (Man bedenke, dass das Licht an sich nicht manipuliert werden kann. Das kann es nur indirekt durch die materielle Objekte, die das Bildentstehen im Licht  bewirken.)


Spekulatives 

Die superposition von die zwei komplementäre Spektra schafft ein Zustand des Vollständigkeit --  vollständiges Dunkelheit oder vollständiges Helle! Dunkelheit durch vollständiges abschattung .. Helle durch vollständige aufhellung. Eine Ganzheit entsteht. Etwas Einheitliches, worin nichts fehlt.

Von Komplementarität spricht man

  (1) wenn ein gegebene Einheit in zwei Teile gesplittert wird (wie oben!) – die Teile sind dann additiv komplementär. Beide zusammen machen wieder die Einhet.

  (2) wenn die zwei Entitäten aus formalontologischer Sicht nur  Aspekte von ein und dasselbe sind. Wie die zwei Seiten eines Papierblatts. Es kann das eine ohne das andere nicht geben.  

  Ich meine das die zwei Spektren nicht nur additiv aber auch formalontologisch komplementär sind, das heisst es kann das eine ohne das andere nicht geben, aber einer kann unterdrückt sein, ausser Sicht, so zu sagen,  als gewönlicherweise durch absorption.

  Die zwei müssen doch nicht die gleiche Eigenschaften haben, so dass man immer das eine mit der andere ersetzen kann. Es ist desweil interessant zu untersuchen in welcher hinsicht die beide Spektren – oder die Welt von der Seite des Finsternis heraus oder des Lichts heraus betrachtet -- gleichwürdig sind.

Wir kommen also mit Hilfe der Spiegelspalt zu der höhere Auffassung von Komplementarität als die zwei Aspekte von ein und das selbe Phänomen. Das ist eine formalontologische Tatsache.


So wie es Lichtstrahlen gibt, gibt es Schattenstrahlen

Gibt es Lichtstrahlen, dann muss es auch Schattenstrahlen geben  -- dass ist Strahlen durch die Abwesenheit von Licht definiert.  Aber sind sie in allen Hinblicke gleichwürdig?

  Was ist hier mit „Strahlen“ gemeint? Ganz naiv ist es etwas das als gerade Linien aussieht. Strahlen als "Sehdinge", visuelle Gestalten. Wie ich es im Film zeige. Und so wie ein Laserbeam aussieht, wenn es durch das Raum lauft und im Staub schimmert. Man kann sich einen Strahl beliebig schmal denken. In die Grenze eine Idealisierung. Man muss sich darüber klar machen: Die von der Physikern intendierte Strahlen sieht man nie als solche. Sie sind vorgestellte. Was ich im Film zeige ist eine Visualisierung dieser Vorstellung.    

  Die möglichkeit Strahlen zu produzieren mit hilfe Spalten basiert sich auf die rechtlinige Asubreitung des Lichtes, was ein Erfahrungstatsache ist. Ein Gegenstand, von der Sonne beleuchtet, wirft einen Schatten der sich scharf auf dem Boden zeichnet. Ein kleines Gegenstand macht dann einen "Schattenstrahl".


VERSUCHSAUFBAU

Was  wir sehen ist egentlich Bilder, von Spaltöffnungen und dem Glühdraht -- dessen endlichen Breite die Präzision des Versuchs bestimmt -- gewebt.  Er ist vertikal montiert weil das brechende Kant des Prismas vertikal ist. Es ist eine gute Approximation, sich das Phänomen in vertikaler Richtung invariant zu denken. Das Problem ist also prinzipiell zwei-dimensional. Das ist ein Vorteil mit der prismatische Experimente. Der dritte Dimension (also die Vertikale) kan gebraucht werden um die Strahlengänge zu visualisieren.

 

Die Dimensionen der Versuchaufstellung sieht man auf folgende Abriss, von Oben gezeichnet. Die Höhe des Prismas ist 85 mm

Eigentlich sind die Linien, die man sieht, von verschieden Lichtstrahlen konstituiert, jedoch Strahlen produsiert unter gleiche Bedingungen.  Was sich auf dem Schirm darstellt ist eine Reihe von Beobachtungen von Projektionen auf einen vertikalen Schirm, der auf verschiedene Abstände vom Prisma im Lichtweg gehält wird. Man studiert wie sich das Phänomen metamorfosiert, sowie Goethe es in seine Farbenlehre macht. Mit der hier verwendete Versuchsanordnung kann man die Metamorphose simultan überblicken. 


Ein Fluss von dispergiertem Licht

Das ist natürlich eine recht artifizielle Art farbloses Licht, aber es ist jedoch was man im allgemeinen bekommt wenn ein Lichtfluss schräg die grenze zwichen Medien passiert.  Die gewöhnlichste Situation wäre von Luft zu Wasser. 

Weisses Licht ist nicht einen eindeutigen Begriff.  Zur Folge Ursprung und Geschichte kann es verschiedene Qualitäten haben. Das wird man nicht wahr wenn man nur das Licht als Beleuchtung auf ein weisses Papier sieht. Erst wenn man veschiedenfarbige Dinge ins Beluchtung betrachtet merkt man die Eigenheiten des Lichts.  Oder, wie in unserem Fall, mit dispergiertes Licht, braucht man schattenverfende Objekte, die Bilder entstehen lassen, die von der spezielle Geschichte dieses Licht uns erzählen.  


EIN SPIEGEL IM LICHT

Es ist wichtig, um rein geometrisches Optik zu betreiben, dass Lichtstrahlung nicht absorbiert wird, sondern nur abgelenkt. Deshalb verwenden wir ebene Spiegeln. Das man komplementäre Spektren ins direkte und reflektierte Licht bekommt ist vielleicht nicht selbstverständlich. Denken Sie es bitte durch! 

 


ZERLEGUNG DES SPEKTRUMS 

Das Bild, ich hier brauche, ist aus Opticks PROP. II Theor. II Exper. 6  Illustration Fig. 18.

Newton war der Meinung, dass dies überzeugend beweist, dass das weiße, farblose Sonnenlicht nicht rein ist, sondern eine Mischung aus verschiedenen einfachen monochromatischen Lichtsorten.

Das citat The Light of the Sun consists of Rays differently Refrangible ist aus  Book One, Part I.

  Newton postuliert also, das es besondere Lichte gibt, das verschieden sind von Licht in allgemeinen, und diese Lichtsorten sollte eine Art elementäre Bestandteile von Licht in allgemeinen sein. Das Prisma, zusammen mit der Spaltöffnungen, zerlegt das Licht und separiert dessen Bestandteilen und macht es dadurch möglich diese isoliert zu untersuchen.

Newton sagt auch: All homogeneal Light has its proper Colour answering to its degree of Refractibility, and that Colour cannot be changed by Reflexions and Refractions. Opticks,  Book One, Part II. (PROP. II THEOR. II)

Vielmehr: Es kann nicht verändert werden durch farbige Gläser. Ein roter Strahl bleibt rot nach passage durch, sagen wir, ein grünes Glas. Das ist vielleicht das wichtigste, was die Farbenlehre angeht.  In terminologie der Quanten Mechanik sagt man: monochromatisches Licht ist ein Eigenzustand der Absorbatoren.  Farbentstehung durch selective Absorption ist das gewöhnliche in unsere alltägliche Umgebung. Es gibt jedenfalls auch fluorescente Materialen  zu der monochromatische Lichte nicht Eigenzustände sind.


Zum Begriff des Lichtstrahls

Newton Opticks (1704): Definition. By the Rays of Light I understand its least Parts, and those as well Successive in the same Lines, as Contemporary in several lines. (...) The least Light or Part of Light, which may be stopped alone without the rest of the Light, or propagated alone, or do or suffer any thing alone, which the rest of the Light doth not or suffers not, I call a Ray of Light.

Goethe (Bedenken, um 1800): Wir haben unserer Darstellung das Wort Lichtstrahl sorgfältig vermieden, es ist ein angenommener Kunstausdruck.

W.R. Hamilton  (1824) Abhandlungen zur Strahlenoptik:  Unter einem Strahl ist in dieser Abhandlung eine Gerade verstanden, längs der sich Licht fortpflanzt.

Max Herzberger: Strahlenoptik (1931) Die Strahlenoptik geht von der Fiktion des Lichtstrahls aus.

Georg Unger [Von Bilden Physikalische Begriffe", Teil II (1961)]: Ohne materielle (genauer: undurchsichtige) Körper kann die Geradlinigkeit der Lichtausbreitung nicht festgestellt werden. (13)

Wenn immer wir Lichtstrahlen Zeichnen, sind wir uns bewusst, dass ihre Berechtigung darin besteht, dass sie durch geeignete Blenden als Licht-Schatten-Grenzen verwirklicht werden können. Die Lichtstrahlen sind mögliche Licht-Schatten oder Bedeckungsgrenzen. (14)

Die geometrischen Konstruktionen und phoronomischen Bilder, die mit der Ausbreitung des Lichts verknüpft werden, beziehen sich grundsätzlich auf Erscheinungsort und Verschwindungsstelle unter berücksichtigung, praktisch der am Lichtwege liegenden, theoretisch aber aller im Raum befindlichen, materiellen Körper. (15)  

   James Gibson: Ecological Optics (1960) Es wird vorgeschlagen dass der Strahl als ein Ort eines Intensitätsübergangs anstatt eines Ortes absoluter Intensität betrachtet wird.

In ecological optics a ray should not be conceived as a beam of light, not even as one which vanishes to a geometrical line, but as a transition between one beam, and the next. It is the locus of change in light energy over the array. (...) The concept of a beam of light which becomes vanishingly thin but still retains a given intensity and spectral character is troublesome. Such a fiction may be useful for geometrical optics, and convenient for the tracing of rays through refracting media, but it cannot stimulate an eye. A transition, however, can stimulate an eye. The rays of ecological optics, being the loci of transitions, are not infinitely dense as they are supposed to be in pure geometry. Ecological optics does not have to be concerned with the problem of waves or particles, nor with the laws of refraction, reflection, and diffraction. It is primarily concerned with margins, borders, contrasts, ratios, differences and textures in the optic array.  (258)

 


HOLTSMARKS IDEE

Die folgende zwei Skizze sind aus Holtsmarks Artikel von 1970 geholt. 

Figur 11 beschreibt den Versuch des Films. Figur 10 zeigt eine alternative Aufstellung mit der eine dunkle Absorptionslinie in einem ordinären Spektrum im invertierten Spektrum eine weisse Linie entspricht. Die vier Fälle sind somit:

 


ZWEI VERSPIEGELTE SPALTBLENDE

Erklärung 1:  Überlagerte komplementäre Spektren

Ein türkiser Strahl von Unten und so einer auf der Oberseite Nichts von unten. Ein G-spektrum auf der Oberseite Weisses Licht von Unten. Weisses Licht auf der Oberseite. 

Im ersten und letzten Fall addieren sich auf der Oberseite ein G-spektrum und ein N-spektrum. Im ersten Fall doch ein N-Spektrum wo das rote Ende fehlt. 


Erklärung 2:  Ein Gewebe von sich kreuzende monochromatische Strahlen

Schematisch denke man sich einfach drei Lichtquellen in der Nähe von einander. Eine rote, eine grüne und eine blaue. Die sollen das Prisma ersetzen. Der Purpurstrahl wird dann von sich kreuzende rote und blaue Strahlen gewebt, wie folgendes Bild illustriert. Betrachten Sie es bitte auf zunehmende Abstand bis es als eine Purpurlinie auf Grau aussieht!

 

Der Purpurstrahl kann als Informationsträger dienen; als eine Art Signal im Lichtfeld. Intressant aber ist dann, dass die Ausbretungsrichtung von Information und die von Energie verschieden sind!

 


WAS KÖNNEN WIR DARAUS FOLGERN?

Dass Licht und Finsternis formal gleichwertig sind bedeutet nicht dass sie nicht in andere Hinsichten sehr verschiedenartig wirken können.  So charakterisiert Goethe Licht und Finsternis mit folgende Wörter (Beiträge zur Optik 1791):

Den Zustand des Raums um uns, wenn wir mit offenen, gesunden Augen keine Gegenstände erblicken, nennen wir die Finsternis. Wir denken sie abstrakt ohne Gegenstand als eine Verneinung. (§22)

Das Licht, hingegen, können wir uns niemals in abstracto denken, sondern wir werden es gewahr als die Wirkung eines bestimmten Gegenstandes, der sich in dem Raum befindet und durch eben diese Wirkung andere Gegenstände sichtbar macht. (§23)  

 


Über das Wesen des Lichts sagt Georg Unger folgendes (1961):

Das Wesen des Lichtes ist das Gemeinsame von seinen Erscheinungen in den verschiedenen Medien.

Es ist eine Erfahrungstatsache dass wir die Welt auch im Sehen als objektiv und beständig wahrnehmen. Was sich darin ausdrückt ist dass unsere Wechselbeziehung zur gesehenen Ausenwelt nicht eine physische und nicht eine durch das Organ bedingte, sondern eine inhaltlichte ist. Greifen wir den erwähnten Unterschied von Wesen und Erscheinung auf, so erkennen wir das Wesen des Lichtes an den übermittelten Inhalten. Die Erscheinung ist Gegenstand der Physik.

Ich nenne dagegen Lichtstrahlung die Gesamtheit der energetischen Tatsachen, welche als mögliche Erfahrung rein physikalisch im Wege des Lichtes anzuteffen sind. (72)

Die eigentlich optischen Erscheinungen  verstehen wir ohne besondere Unterstreichung des energetischen Characters der mit dem Licht einhergehenden Strahlung. Das Licht selber ist nicht Gegenstand der Physik. Was diese im besonderen betrachtet, ist eine mit dem Licht verknüpfte Strahlung. (78)

 


Ich möchte mit noch eine Maxime Goethes diese Auslegungen schliessen:

Hier werden nicht willkürliche Zeichen, Buchstaben und was man sonst belieben möchte, statt  der Erscheinungen hingestellt; hier werden nicht Redensarten überliefert, die man hundertmal wiederholen kann, ohne etwas dabei zu denken, noch jemanden etwas dadurch denken zu machen; sondern es ist von Erscheinungen die Rede, die man vor den Augen des Leibes und des Geistes gegenwärtig haben muss, um ihre Abkunft, ihre Herleitung sich und andern mit Klarheit entwickeln zu können. /Entwurf einer Farbenlehre §242 /

 

 


SCHLUSS

Die extreme Situation,  wo sich N-Spektren und G-spektren sukzessiv mehr und mehr überlagern, mit Grau als Schlussakkord, wird hier gezeigt:

 

 

PSColour/fotnoter_de.htm 2010-05-06